Das Verhältnis Erbstatut und Güterrecht

Güterrecht Türkei - Erbstatut und GüterstatutDas Güterrecht spielt beim Erbrecht eine besondere Rolle. Denn vor der erbrechtlichen Auseinandersetzung muss zunächst geklärt werden was zum Nachlass gehört. Erst im Anschluss kann geklärt werden, wer was und wie viel erbt.

Im deutschen Erbrecht hat das Güterrecht eine wichtige Rolle, da der eheliche Güterstand Einfluss auf die Erbquote hat. Beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten nach § 1931 Abs.3, 1371 Abs.1 BGB um ein Viertel (pauschalierter Zugewinnausgleich). Bei der Gütertrennung gilt die Besonderheit des §1931 Abs.4 BGB, wonach der überlebende Ehegatte neben einem oder zwei Kindern zu gleichen Teilen erbt.

Bevor also das Erbstatut ermittelt wird, muss zunächst das Güterrechtstatut ermittelt werden.

 

Wie beim Erbstatut haben beim Güterrechtstatut multilaterale Staatsverträge Vorrang, Art.3 Abs.2 EGBGB. Allerdings existieren keine Verträge über Ehegüterstände zwischen Deutschland und anderen Nationen (Haagener Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbares Recht vom 14.03.1978 ist Deutschland nicht beigetreten; Haagener Ehewirkungsabkommen vom 17.07.1905 wurde gekündigt; deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.02.1929, der familienrechtliche Kollisionsnormen enthält, ist nur bei rein iranischen und rein deutschen Ehen anwendbar).

Mangels multilaterale Staatsverträge kommt somit IPR zur Anwendung. Nach Art.15 Abs.1 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht, (wenn keine güterrechtliche Rechtswahl getroffen wurde, was auch nach Eheschließung erfolgen kann, Art.15 Abs.2 EGBGB) d.h. das im Zeitpunkt der Eheschließung geltende Ehewirkungsstatut, Art. 14 Abs.1 EGBGB. Danach gilt stufenweise,

  • das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten bei der Eheschließung (nachträgliche Änderungen bleiben außer Betracht, d.h. "Versteinerungsgrundsatz" des Güterrechts. Entscheidend ist der Statut zum Zeitpunkt der Eheschließung. Dies gilt selbst dann, wenn eine andere Staatsangehörigkeit angenommen wird, der Ausenthaltsort sich ändert und hierduch das Ehewirkungsstatut nach Art. 14 EGBGB ändert. Die Eheleute können das Güterrechsstatut nur durch einen notariellen Ehevertrag gemäß Art. 15 Abs.2 EGBGB ändern; ansonsten bleibt es "versteinert" beim Statut zum Zeitpunkt der Eheschließung)
  • falls keine gemeinsame Staatsangehörigkeit bei der Eheschließung: dann der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt bei der Eheschließung
  • falls kein gemeinsame gewöhnlicher Aufenthalt: das Recht des Staates, mit dem die Ehegatten auf andere Weise am engsten verbunden sind (z.B. wegen gemeinsame soziale Bindung an einen Staat aufgrund Herkunft, Kultur, Sprache, berufliche Tätigkeit, Aufenthalt usw.).
  • das für die allgemeinen Ehewirkungen nach Art.14 Abs.2 u.3. EGBGB gewählte Statut, sofern die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen (nach Art.1 Abs.4 EGBGB bedarf die Rechtswahl grundsätzlich der notariellen Beurkundung; lediglich wenn sie im Ausland vorgenommen wird, genügt die Einhaltung der Ortsform oder der Formerfordernisse des gewählten Rechts.

Anders als beim Erbstatus und Ehewirkungsstatut gilt beim Güterrechtsstatut, dass ein späterer Wechsel des Staatsangehörigkeit bzw. des Wohnortes keine Auswirkungen auf das Güterrecht (Güterrechtsstatut) hat. Es kommt somit grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Eheschließung an (sog. Unwandelbarkeit). Was anderes gilt nur dann, wenn durch die Ehegatten ein Rechtswahl getroffen wird (Art.15 Abs.II EGBGB). Die Ehegatten können,

  • das Heimatrecht eines der Ehegatten,
  • das Recht des Staates, in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat
  • oder das Recht des Lageorts (lex rei sitae) für unbewegliches Vermögen wählen.

Die Rechtswahl muss notariell beurkundet werden. Wenn sie im Ausland vorgenommen wird, genügt die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes bzw. der Rechtswahl (vgl. Art.14 Abs.4 i.V.m. Art.14 Abs.3 EGBGB).

Die Rechtswahl führt zur Sachnormverweisung, so dass kein Rück- bzw. Weiterverweisung in Betracht kommt.

Ehewirkungsstatut ist was anderes als Güterrechtsstatut. Das Ehewirkungsstatut des Art. 14 I EGBGB betrifft die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten untereinander und ihr Verhältnis zu Dritten; es ist wandelbar. Im großen und ganzen geht es um Fragen, wie sie in §§ 1353 - 1362 BGB geregelt sind. Dazu gehören etwa das Recht zum Getrenntleben, die Schlüsselgewalt (§ 1357 BGB), der Haftungsmaßstab, Eigentumsvermutungen und Schenkungsverbote.

Das Güterrechtsstatut regelt dagegen die güterrechtlichen Beziehungen der Eheleute untereinander. 

Selbst wenn sich das Ehewirkungsstatut ändert (z.B. gemäß Art.14 Abs.I Nr. 1-3 wegen Wechsel der Staatsangehörigkeit bzw. des Ausenthaltsortes, verändert sich das Güterrechtsstatut nicht. Dies führt zu überraschenden Ergebnissen, mit denen viele Betroffene nicht rechnen. Deshalb besteht in solchen Fällen ein Beratungs- und Änderungsbedarf, um eine Harmonisierung von Erbrechtsstatut und Güterrechtsstatut herbeizuführen.

Beispiel: Heiraten zwei türkische Staatsangehörige, so wird das Güterrechtsstatut nach Art. 15 EGBGB für immer festgelegt. Dies gilt auch dann, wenn die Eheleute später die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt ändern und in Deutschland bzw. in der Türkei haben. Für das Eherechtstatut  wird aufgrund des Wechsels der Staatsangehörigkeit das deutsche Eherechtstatut angewendet (vgl. Art. 14 EGBGB). Dies führt u.a. dazu, dass die Erhöhung des §1371 BGB nicht in Betracht kommt, weil nach h.M. diese Vorschrift güterrechtlich zu qualifizieren ist und somit (selbst wenn das deutsche Erbrecht zur Anwendung kommt, z.B. wegen Deutsch-Türkischer KonsularVtr Nr. 14 Anlage zu Art. 20) aufgrund der güterrechtlich anzuwendenden türkischen Rechtsvorschriften diese Vorschrift nicht angewendet werden kann. Denn das türkische Recht kennt keine pauschalierte Erhöhung, wie es in §1371 BGB geregelt ist. Folglich erben die Ehepartner lediglich 1/4 (statt 1/2 bei einer Anwendung des § 1371 BGB). Hättendie Eheleute rechtzeitig das anzuwendende Güterrechtsstaut gemäß Art. 15 II EGBGB durch einen notariell Vertrag angepasst, so hätte der überlebende Ehegatte zusätzlich 1/4 (somit insgesamt 1/2) geerbt.

 

WICHTIG:

Mit Wirkung vom 1.1.2002 ist in der Türkei ein neues Zivilgesetzbuch in Kraft getreten. U. a. wurde der bisherige gesetzliche Güterstand der Gütertrennung durch einen sich an die Errungenschaftsbeteiligung des schweizerischen Rechts anlehnenden Güterstand ersetzt. Die Errungenschaftsbeteiligung ähnelt der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht insofern, als das Vermögen der Eheleute während der Dauer der Ehe getrennt bleibt, nach Beendigung der Ehe jedoch ein Ausgleich während der Ehe entgeltlich erworbenen Vermögens erfolgt. Jeder Ehegatte kann über sein Vermögen alleine verfügen (und damit auch als Alleineigentümer erwerben).

Das neue Güterrecht gilt ab 1.1.2002 auch für bereits bestehende Altehen. Allerdings besteht die Möglichkeit, vertraglich die Gütertrennung zu vereinbaren.

Auch im Erbrecht sind einige Änderungen vorgenommen worden. So sind z. B. die Pflichtteilsquoten der Verwandten gesenkt, die des überlebenden Ehegatten jedoch stabil geblieben bzw. teilweise sogar erhöht worden. Im Übrigen ist das Erbrecht durch die Reform inhaltlich weitgehend unberührt geblieben (DNotI-Report 6/2002).